Der Beruf des Managers ist ein anspruchsvoller und fordernder Beruf. Das Idealbild verlangt viele verschiedene Qualifikationen und es gibt wenige, die alle Anforderungen erfüllen. Es ist auch nicht so wichtig, alles zu können, man sollte sich nur seiner Schwächen bewusst sein. Viele Personalprogramme arbeiten immer wieder an den Schwächen unserer Mitarbeiter, auch wenn es nichts bringt. So wird in jedem jährlichen Beurteilungsgespräch festgestellt, dass ein Mitarbeiter keine guten Vorträge hält, und dann wird er wieder zu einem Kurs geschickt, um zu lernen, wie man gute Vorträge hält. Aber es bringt nicht wirklich etwas. Wenn ein Manager eben keine guten Vorträge hält, sollte er lieber jemanden anderen den Vortrag halten lassen, und ihn nur einführen, moderieren, kommentieren. Wenn man sein Team nach dem Motto Diversity zusammensetzt, hat man jemand anderen im Team, der die eigene Schwäche kompensieren kann. Man braucht dazu vor allem die Fähigkeit, Mitarbeiter im Team zu schätzen, die – wenigstens in manchen Dingen, hoffentlich nicht in allen – besser sind als man selbst.
Dabei ist es für einen Manager oft gar nicht so einfach einzuschätzen, was er selbst gut kann und was nicht. Denn je höher man in der Hierarchie aufsteigt, desto schwieriger wird es, ehrliches und offenes Feedback zu bekommen. Wenn der große Chef eine Rede vor seinen Mitarbeitern gehalten hat, ist es für ihn nicht einfach, ein wirklich korrektes Feedback zu bekommen. Ich habe das einmal sehr deutlich lernen müssen, wie sehr Eigen- und Fremdbild auseinanderklafften. Ich hatte bemerkt, dass es bei den Mitarbeitern grummelte. Man war anscheinend mit einer Entscheidung, die wir im Management getroffen hatten, nicht einverstanden. Ich kommentierte das gegenüber meinen Managern mit der Bemerkung: „Ich verstehe nicht, dass die das nicht offen kritisieren. Ich habe doch noch nie jemand den Kopf abgerissen, wenn Entscheidungen offen kritisiert wurden.“ Darauf bemerkte einer der Kollegen trocken: „Nee, Herr Janßen, aber alles davor schon!“ Das Auseinanderklaffen von Selbstbild und Fremdbild ist für uns alle ein großes Problem. Wenn Sie Menschen finden in ihrem beruflichen Umfeld, die Ihnen ehrliches Feedback geben, dann hüten und pflegen Sie diesen Schatz.
Management ist auch eine in vielerlei Aspekten sehr anstrengende Tätigkeit. Oftmals lange Zeiten, anstrengende Dienstreisen, viele Meetings, Konflikte, kritische Projekte, hohe monetäre Verantwortung, menschlich schwierige Entscheidungen. Da ist eine gute physische Fitness sehr hilfreich. Ich habe hier oft nicht genug getan, habe eher unter Stress zu viele Kalorien zu mir genommen und mit Schlafstörungen gekämpft. Aber ich hatte immer Menschen um mich, die mich unterstützt und aufgefangen haben. Andererseits habe ich immer eine ganze Menge Zeit für meine geistige Fitness investiert. Mich nicht nur mit den aktuellen Fachthemen meiner Profession auseinandergesetzt, sondern auch mit den aktuellen Managementtheorien oder der Sozialpsychologie, mit dem Management in fremden Kulturen etc. beschäftigt. Man zitiert ja gerne Juvenal mit „mens sana in corpore sano“ und meint dann, dass das tägliche Joggen es schon richten wird. In Wirklichkeit hat der Dichter aber gesagt, „ut sit mens sana in corpore sano“ (oh, wenn doch nur ein gesunder Geist in einem gesunden Körper wäre; wahrscheinlich beim Anblick der Gladiatoren bei denen trotz 100.000 Volt im Bizeps die Lampe oben trotzdem nicht brannte). Beides, die normale Muskulatur und der Hirnmuskel, brauchen idealerweise Training in diesem Beruf!
Eine der schlimmsten Fallen im heutigen Managerdasein sind die modernen Kommunikationsmittel. Sie ermöglichen, es immer am Ball zu sein. Es gibt dann irgendwann keinen Feierabend, kein Wochenende, keinen Urlaub mehr. Es ist ja durchaus praktisch, mal früher nach Hause zu fahren und mit der Familie den frühen Abend zu verbringen und erst dann einen dringenden Vorgang für den nächsten Tag abzuschließen. Auch wenn es dann manchmal schwierig wird, rechtzeitig zum Einschlafen wieder abzuschalten. Und manchmal ist es vielleicht auch besser, nicht den Familienurlaub canceln zu müssen, wenn ein Projekt in die Krise gerät. Aber der Urlaub ist dann halt kein Urlaub mehr.
In meinen ersten Semesterferien bin ich die ganzen Ferien nach Hause gefahren. Es hat einfach viel Geld gespart. Und ich habe ja meine Bücher mit nach Hause genommen. Aber am Ende hatte ich nicht wirklich gelernt, aber mich auch nicht richtig erholt, denn die Bücher auf dem Tisch haben immer für ein schlechtes Gewissen gesorgt. In den nächsten Ferien fuhr ich nur vier Wochen nach Hause, ohne jedes Fachbuch. Dann verzog ich mich wieder in meine Studentenbude zum Lernen. Ich stellte dann fest, dass mein Gehirn anscheinend trotzdem irgendwie weitergearbeitet hatte und Lernstoff sortiert hatte, denn vieles, was mir im Semester noch recht schwerfiel, war plötzlich glasklar und musste einfach so sein. Ich hatte die Bedeutung von Muße für das Lernen, Begreifen und Verstehen entdeckt!
Muße heißt nicht faulenzen oder nichts tun, sondern sich aktiv mit Dingen beschäftigen, die außerhalb der alltäglichen Dienstverpflichtungen liegen. Die Muße gibt dem Gehirn Zeit und Gelegenheit, aus dem Hamsterrad des täglichen Geschäfts auszusteigen. Danach kann es wieder mit einem frischen Blick die anscheinend unüberwindbaren Probleme angehen und findet Lösungen, die man vorher nicht gesehen hat, weil man nur in einer Endlosschleife die gleichen Argumente durchgekaut hat. Jeder von uns braucht diese Phasen, aber dank der modernen Kommunikationsmittel gönnen wir sie uns nicht mehr.
Ich bin der festen Überzeugung, dass jeder in einem anstrengenden Wissensarbeiterberuf und besonders Manager drei Wochen Auszeit brauchen. Man braucht ein paar Tage, bis man die Firma, die Projekte, den Stress vergisst. Und ein paar Tage vor Urlaubsende beginnt das Hirn wieder zu ticken: Was ist wohl los, was ist mit dem Projekt, wer hat wieder intrigiert etc. Aber wenn ich in der Zeit dazwischen wieder meine Mail checke, an einer Telco teilnehme, dann bin ich sofort wieder in allem drin, die ganze Distanz ist futsch, die Muße dahin. Dabei kann es doch gar nicht sein, dass mein Bereich nicht einmal drei Wochen ohne mich funktioniert!? Wenn ich einen Verkehrs- oder Sportunfall habe, einen Herzinfarkt, Corona oder mein Partner oder Kind schwer erkrankt ist, dann bin ich doch auch drei Wochen weg? Es kann doch nicht sein, dass alles zusammenbricht, wenn ich mal nicht da bin? Habe ich nur Pfeifen in meinem Bereich eingestellt oder habe ich einfach nur riesengroße Angst, jemand könnte merken, dass es auch ohne mich geht?
Viele Menschen halten das Hamsterrad erstaunlich lange aus, aber dann zerbrechen Sie: An Herzkrankheiten, Depressionen, Burn-Out, Schlafproblemen, Suff, … Gönnen Sie sich zur Vorsorge jedes Jahr drei Wochen Detox, drei Wochen Entzug von jeglicher Kommunikation mit der Firma, den Mitarbeitern, den Chefs, den Konkurrenten. Sie werden sich wundern, aber es geht. Und es wird Ihnen verdammt guttun.
Im Verlaufe eines Gesprächs zum zehnjährigen Dienstjubiläum eines Mitarbeiters fragte mich der Kollege, ob ich ihm nicht aus meiner Erfahrung so einige weise Ratschläge mit auf den weiteren Weg geben könne. Nach etwas Nachdenken fielen mir drei Punkte ein, die ich auch bei späterem längerem Nachdenken recht gut fand und Ihnen nicht vorenthalten will.
Gerade in solchen kritischen Situationen ist es hilfreich, wenn Sie über ein Netzwerk zu Kollegen in anderen Unternehmen verfügen, die dort in einer vergleichbaren Position sind. Man steht immer wieder einmal vor der Frage, ob man selber der Geisterfahrer ist oder die anderen. Und da braucht man jemanden, der die Position, die Aufgaben kennt und versteht, aber nicht den offenen Blick auf das Problem verloren hat, weil er schon zwanzig Jahre in der gleichen Firma arbeitet.
Der Beruf des Managers ist ein schöner und vielfältiger Beruf mit viel Verantwortung für ein Unternehmen, Kapital und vor allem die einem anvertrauten Menschen. Es lohnt sich, sich mit diesem Beruf zu befassen, verstehen zu lernen, was ihn ausmacht. Wie in jedem Beruf gibt es auch unter den Managern sowohl schwarze Schafe als auch Menschen, denen schlicht jegliche Kompetenz für diesen Beruf fehlt. Deshalb ist es so wichtig, dass wir, die den Beruf lieben, uns darüber austauschen, darüber reden und schreiben, was denn im Guten einen Manager ausmacht. Teilen wir unsere Erfahrungen, damit wir gemeinsam besser werden! Denn ich bin überzeugt, dass wir selber besser wissen, wie man unseren Beruf verbessern kann, als die vielen anderen, die klug darüber reden, aber den Job nie gemacht haben.
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Rainer Janßen | 28.07.2023