Warum ein guter Dienstleister noch lange kein guter Service Manager ist!
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Warum ein guter Dienstleister noch lange kein guter Service Manager ist!

Bei den vielen Veränderungen, die gerade in IT Organisationen in den letzten Jahrzehnten immer wieder anstehen, erlebe ich das positive Engagement vieler CIOs, für die Mitarbeiter in ihren Organisationen zu sorgen und einen adäquaten Platz in der neuen Organisation zu finden. Man könnte nun zynisch argwöhnen, dass sie das nur wegen des deutschen Kündigungsschutzes oder wegen der Knappheit von IT Ressourcen täten, aber ich bin in den meisten Fällen von der gelebten sozialen Verantwortung der Führenden überzeugt.

Solange es sich um eher technologische Veränderungen handelt, etwa den Übergang vom Mainframe zum Client-Server oder von funktionalen Programmiersprachen zu objektorientierten, ist die Erwartung an die Leistungen des Mitarbeiters in seinem neuen Umfeld nach meiner Erfahrung meist noch relativ realistisch. Sobald die Veränderungen aber weniger mit den technischen Aspekten der Leistung zu tun haben, sondern mit den Strukturen und Prozessen, in denen die Leistung erbracht wird, gibt es oft erhebliche Fehleinschätzungen über das Potential von Mitarbeitern in deren neuen Rollen.

Lassen Sie mich versuchen, dies an einem Beispiel zu erläutern. Nehmen wir an, Sie haben noch einen internen Helpdesk. Natürlich sind schon längst nicht mehr alle Mitarbeiter in diesem Umfeld wirklich festangestellte interne Mitarbeiter. Sowohl an der Telefonhotline als auch in den Projekten zur Weiterentwicklung der Servicetools arbeiten viele externe Kollegen. Sie haben sich nun entschieden, einen klaren Schnitt zu ziehen und den Helpdesk komplett als Gesamtpaket zu „sourcen“, also nach außen zu geben.

In ihrem Helpdesk-Team haben Sie einen tollen Mitarbeiter, der von allen Kunden geliebt wird. Er scheint die Fehler der Kunden zu ahnen, er ist immer gelassen und guten Mutes, er kennt die VIPs und weiß sie zu nehmen. Er wird auch gerne von technisch weniger begabten Vorständen angefragt und hilft ihnen mit großer sozialer Kompetenz über ihre Schwächen hinweg. Sie bemühen sich, für diesen verdienstvollen Mitarbeiter im neuen Umfeld eine angemessene Rolle zu finden und weil er so perfekt darin ist, den Service als Helpdesk-Mitarbeiter auszuüben, kommen Sie auf die Idee, ihn zum Servicemanager des neuen Helpdesks zu ernennen, der dem neuen externen Lieferanten beibringen soll, wie man die ihm so vertrauten Kunden richtig betreut.

Diese Entscheidung kann Sie leider teuer zu stehen kommen. Der ehemalige Servicemitarbeiter will, dass „sein“ Service klappt. In Problemsituationen ist er eher geneigt, dem Dienstleister zu helfen, Probleme durch persönlichen Einsatz beim Endverbraucher zu lösen, als die Fehlleistungen des Lieferanten zu dokumentieren, die Abweichungen von vereinbarten KPIs nachzuverfolgen und auf Nachbesserung und gegebenenfalls Preisnachlass hinzuarbeiten etc.

Dies kann in einem überschaubaren Serviceumfeld und bei einem wohlwollenden Servicepartner noch gutgehen. Wenn der Dienst jedoch komplexer wird und Ihr Dienstleister Ihnen an dieser delikaten Schnittstelle hoch überlegen ist, dann kann dies potentiell für Sie zu einem sehr teuren Erlebnis werden. Während Ihr Servicemanager noch dabei ist, durch persönliches Eingreifen vermeintlich kritische Situationen zu meistern, sind die anderen längst dabei, alle diese Eingriffe in den Lieferprozess als zu bezahlenden Change Request zu markieren, Mängel in der Beistellverpflichtung des Auftraggebers zu dokumentieren, die Einhaltung der vereinbarten KPIs aus den Verträgen nachzuhalten usw. Er produziert so jede Menge gerichtsfesten Materials, das am Ende beweist, das nicht der Service schlecht ist, sondern Sie als Auftraggeber immer wieder störend und verändernd eingreifen – und mehr bezahlen müssen.

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Es ist durchaus wünschenswert, wenn ein Servicemanager seinen Service auch inhaltlich versteht und gemeinsam mit dem Lieferanten weiterentwickeln kann, aber die nachfassende Pitbull-Mentalität eines Projektmanagers verbunden mit der nickeligen Zahlenverliebtheit des Controllers und der Neigung zum buchstabengenauen Nachhalten von Verträgen eines Juristen sind ebenfalls überlebenswichtige Qualifikationen eines Servicemanagers. Defizite in diesen Disziplinen können angesichts der Laufzeit und des finanziellen Volumens vieler solcher Servicepakete sehr teuer werden. Man sollte sich also sehr genau überlegen, wen man an diese Stelle setzt, und nicht überoptimistisch sein, was ein verdienter Mitarbeiter noch alles lernen kann, denn teilweise werden hier Qualifikationen verlangt, die im Widerspruch zu einem guten Dienstleister stehen.

Soweit haben wir uns „nur“ mit dem Sourcing eines einzelnen Dienstleistungspakets befasst. Aber mit meinen Hinweisen können Sie darüber nachdenken, was Ihre Restorganisation, die nicht mehr IT „macht“, sondern die Bereitstellung durch andere dirigiert, bei fortschreitender Nutzung solcher Pakete können muss. Die dabei aus meiner Sicht interessanteste Frage ist, wie man die geistige Lufthoheit behält. Der klassische Dirigent kann nicht alle Instrumente spielen, aber er kann hören, wenn jemand falsch spielt. Aber können Sie noch feststellen, dass Ihr Lieferant schlecht programmiert, wenn Sie selbst nicht mehr programmieren? Wie heißt es dazu in der Feuerzangenbowle? Das ist ein anderes schwarzes Loch, dat krieje mer später!

Fragen, Feedback und Kommentare zu diesem Beitrag senden Sie bitte an acent.marketing@acent.de

Rainer Janßen | 14.11.2019

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