Partnerschaft meint ja eigentlich etwas Gutes. Zwei Menschen gehen eine Partnerschaft ein, wenn sie sich lieben und vertrauen und ihr Leben gemeinsam gestalten wollen. Und die Gründung einer Partnerschaft als Rechtsform einer gemeinsamen Unternehmung von Rechtsanwälten oder Unternehmensberatern ist sicher auch immer ein Ausdruck hohen gegenseitigen Vertrauens. Im Gegensatz dazu hat in den letzten Jahrzehnten der Begriff Geschäftspartner eher einen etwas zweifelhaften Ruf bekommen.
Dies hat zwei sehr verschiedene Gründe. Einerseits tauchten Geschäftspartner immer wieder eher als Kumpanen in dubiosen Geschäften auf und mindestens eine Nähe zur sogenannten Vetternwirtschaft wurde immer mehr zur Regelannahme. Andererseits hat der fürchterliche Einkaufschef Jose Ignacio Lopez von zunächst General Motors und dann VW den Begriff der Partnerschaft zwischen Unternehmen komplett desavouiert, indem er von der Zulieferindustrie Zugeständnisse in bis dahin unbekanntem Ausmaß verlangte.
Es war sicher auf lange Zeit das Ende einer Partnerschaft auf Augenhöhe, die dann leider von anderen Unternehmen, auch in anderen Branchen, kopiert wurde. Angesichts des teilweisen Zusammenbruchs von globalen Lieferketten als Folge der Corona-Pandemie haben bestimmt viele Unternehmen den Unterschied in der Reaktion von Zulieferern je nach früherer Behandlung (oder Misshandlung) beobachten können. Fairer Umgang in der Vergangenheit hat sich hier sicher ausgezahlt.
In anderen Branchen haben sich die Machtverhältnisse komplett umgekehrt. So geht es bei den dominanten Lieferanten in der Softwareindustrie manchmal eher zu wie in der Drogenindustrie: Der erste Schuss ist noch umsonst, aber wenn du erst an der Nadel hängst, ist die Lizenzpreispolitik oft sehr unterhaltsam. Da würde sich mancher IT-Chef dann doch mal wieder einen Lopez wünschen!
Die Abkehr von einem eher vertrauten, partnerschaftlichen Verhalten im Geschäft hat sich mittlerweile flächendeckend vollzogen. Überall herrscht die Vorstellung einer klaren Trennung der Geschäftsparteien, die durch Verträge miteinander regeln, was der eine gegenüber dem anderen zu erbringen hat. Diese Vertragsbeziehungen werden umfangreich kontrolliert von den Bereichen Einkauf, Compliance und Revision, damit auf jeden Fall Vetternwirtschaft oder gar Bestechung verhindert werden. In manchen Unternehmen, besonders aber im öffentlichen Dienst, führt dies zu einer derartigen Überladung des gesamten Geschäftsvorgangs mit Ballastprozessen, dass kein Geschäft mehr zustande kommt.
So bekommen selbst in Bayern, wo das Geld vorhanden wäre, viele Schulen keinen Handwerker mehr, um ihre Toiletten zu reparieren, weil die Handwerker sich schon gar nicht mehr an der Ausschreibung beteiligen. Der Aufwand für EG-konforme Ausschreibungen ist so hoch, dass sich eine Beteiligung nicht lohnt, weil dann auch noch meist irgendeine Firma einen Preis bietet, der vom regionalen Handwerk nicht erreichbar ist (dann aber oft hinterher auch die Qualität nicht stimmt).
Dabei ist es von vornherein Unsinn zu glauben, man könne die Komplexität heutiger Geschäftsbeziehungen durch Verträge ausreichend genau beschreiben. Wenn ich eine Kiste Schrauben, ein paar Werkzeuge oder ein Dutzend Staubsauger kaufe, ist das vielleicht der Fall, aber die Integration unterschiedlicher Partner in die Geschäftsprozesse und Abläufe meines eigenen Unternehmens geht ja viel weiter.
In meiner Zeit als IT-Chef habe ich immer wieder komplexe Dienstleistungsverträge verhandelt; ob den Betrieb des Rechenzentrums in München oder das globale Netzwerk, die Helpdesk-Leistungen oder das Callcenter. Die jeweils zu betreuenden Systeme waren nicht über die Zeit des Vertrages stabil, sondern hoch dynamisch; weil sich die IT-Technologien im Zeitraum der Zusammenarbeit änderten, weil sich die jeweiligen Dienstleistungspartner und die Schnittstellen änderten, usw. Es ist illusorisch zu glauben, man könne diese Komplexität in ein noch so umfangreiches Vertragswerk pressen. Ein kluger Jurist sagte mir einmal: Der Heizwert der meisten Outsourcing-Verträge ist größer als der Streitwert vor Gericht.
Über die Beschreibung solcher Zusammenarbeiten gibt es natürlich auch ein zweidimensionales Bild mit vier Quadranten. Diesmal steht an der einen Achse, ob ich bei dem Geschäft gewinne oder verliere (in Englisch win/lose) und an der anderen Achse ob der Partner gewinnt oder verliert. Bei “Win/Win” werden wir das Geschäft schon machen und bei Lose/Lose haben wir beide keine Lust und es gibt “No Business”. Aber was machen wir in den anderen beiden Fällen?
Wenn ich verliere und der Partner gewinnt, und ich mich übervorteilt fühle, dann lasse ich es doch bleiben, oder? Im Prinzip ja, aber manchmal ist man wie bei der Softwareindustrie in einer Monopolsituation, in der man nicht anders kann. Dann wird man vielleicht einmal zähneknirschend unterschreiben, aber sich intensiv mit der Suche nach alternativen Strategien beschäftigen. Was aber ist in der anderen Situation, wenn ich zusammen mit dem Einkauf Konditionen ausgehandelt habe, die eigentlich für die Leistungserbringung nicht ausreichen; die aber wegen des Wettbewerbsdrucks, seiner Auslastung oder was auch immer der Partner bereit ist zu unterschreiben?
Es ist am Ende nicht ganz so einfach, wie es scheint. Oder auch: Ich würde Ihnen raten, es sich in so einer Situation nicht zu einfach zu machen. So wie ich in der oben beschriebenen Verlierersituation kontinuierlich nach einem Ausweg suche, wird das der Partner auch tun, wenn er in der Verlierersituation ist. Wann immer ich mit einer Leistungsforderung komme, wird wieder eine Diskussion beginnen, ob das tatsächlich eine durch den Vertrag abgedeckte Wartungsleistung ist oder ob hier nicht eine Forderung nach einer Änderung des Vertrags vorliegt, die extra zu begleichen wäre. Und wenn ich wegen eines Technologiewechsels zur Neuverhandlung der Konditionen gezwungen bin, werde dann ich über den Tisch gezogen und muss nun bluten? Je länger man darüber nachdenkt, desto unvernünftiger wird es.
Beide Vertragssituationen, bei denen einer der Partner auf lange Sicht verliert, lohnen sich nicht, und zwar für beide Partner. Viel wichtiger als die scheinbare Kostenminimierung im Durchschnitt ist der Umgang der Partner miteinander in unvorhergesehenen Situationen.
Viele Unternehmen, die meinten, erfolgreich verhandelt zu haben, werden im Verlaufe von Corona bitteres Lehrgeld gezahlt haben. Man darf sehr gespannt sein, ob die Unternehmen daraus Konsequenzen ziehen oder ob Corona bald vergessen ist und es überall wieder heißt: Back to normal! – und dabei vergessen, dass Ausnahmesituationen die Regel sind. Sie müssen nicht immer das Ausmaß von Corona haben, aber sie werden kommen.
Nehmen wir einmal an, Sie hätten einen Unternehmensprozess an einen externen Dienstleister ausgelagert. Nun kommt unerwartet eine kreative Veränderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen (Datenschutz, Steuer, Verbraucherschutz, … suchen Sie sich etwas aus!), die zu einem deutlichen Re-Design der Prozesse führen und terminlich vorgegeben sind. Die dafür benötigten Kompetenzen sind im Markt und auch bei Ihrem Partner knapp. Welcher Kunde wird sie bekommen? Dies ist nur eine von vielen Situationen, in denen spürbar wird, wenn man seinen Partner in den Vertragsverhandlungen zu sehr ausgequetscht hat.
Ich habe neuen Partnern am Beginn der Zusammenarbeit immer gesagt: Ich erwarte, dass es irgendwann Probleme geben wird. Das ist sozusagen ein Naturgesetz: Murphy´s Law! Mein Unternehmen, der weltgrößte Rückversicherer, hat das Prinzip „shit happens“ verstanden. Wir können damit fair und gelassen umgehen.
Aber wenn ich merke, dass ihr es schon drei Monate gewusst habt, und mir nichts gesagt habt, weil das Problem ja vielleicht noch auf wundersame Weise verschwindet, und mir so die Reaktionszeit genommen habt, dann habt ihr wirklich ein Problem.
Wie in der Beziehung zwischen Mitarbeitern und Unternehmen ist es weder effizient noch effektiv, sich ausschließlich von dem Misstrauen leiten zu lassen, die andere Seite wolle einen übervorteilen, sich nicht anstrengen, keine ordentliche Arbeit liefern. Noch so großartig ausgehandelte Zielvorgaben, Messkriterien, Erfolgskennzahlen und -prämien, Strafzahlungen bei Nichteinhaltung etc. werden die kostbarste Größe für den Erfolg einer Partnerschaft nicht befördern, sondern eher zerstören: Gegenseitiges Vertrauen.
Problematisch sind beim Aufbauen und den Erhalt von Vertrauen und Partnerschaft vor allem zwei Dinge:
Aber lassen Sie mich zum Schluss noch einmal ganz deutlich sagen: Trotz Vertrauen in der Partnerschaft heißt das keinesfalls, dass man den Partner nicht trotzdem kontrollieren muss. Ich hätte niemals die Betreuung einer kritischen Infrastruktur wie einen Gasspeicher an einen Partner übergeben, ohne regelmäßig zu kontrollieren, ob da denn auch etwas drin ist in dem Speicher! Auf jeden Fall ist jedoch eine Geschäftsbeziehung, bei der der eine Partner als Folge eines vermeintlichen Verhandlungserfolgs bei Vertragsabschluss immer verliert, ein großes Risiko und wird fast immer irgendwann seinen Preis kosten. Dies ist den Einkaufs- und Compliance-Abteilungen oft schwer zu vermitteln. Vielfach scheint es diesen Abteilungen sogar egal zu sein, denn sie verbuchen nur den Verhandlungserfolg bei sich. Die späteren Probleme in der Zusammenarbeit müssen sie ja nicht ausbaden! Ich bin jedoch fest überzeugt, dass die einzige sinnvolle Alternative zu “Win/Win” nur “No Business” ist!
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Rainer Janßen | 28.06.2023