Digitale Transformation im Gesundheitswesen
Digitalisierung

Serie: Digitale Transformation im Gesundheitswesen

Teil 1: Die Auswirkungen

Lorenz Müller, CIO der Bauerfeind, im Interview mit Robby Wirth.

Das Gesundheitswesen gehört zu den Wirtschaftszweigen, in denen die Digitalisierung zu besonders starken Veränderungen führt. Die Patienten erwarten Produktinformationen im Web, Individualisierung und einen 24-Stunden-Service. Die Fachhändler erwarten Trackinginformationen sowie schnelle und termingenaue Lieferungen. Ohne entsprechende Software-Plattformen und eine vollständige Integration in die bestehenden ERP-Systeme sind diese Herausforderungen kaum zu bewältigen. Dabei stellt sich die Frage, welche Plattformen diese Anforderungen am besten erfüllen, sich aber gleichzeitig nahtlos in ihre bestehende ERP-Landschaft integrieren lassen. Antworten auf diese Fragen gibt Lorenz Müller, CIO der Bauerfeind AG, einem führenden Hersteller medizinischer Hilfsmittel, der mit 20 Tochtergesellschaften und zahlreichen Distributoren in 70 Ländern mit mehr als 2.000 Mitarbeitern aktiv ist.

Wie verändert die Digitalisierung das Geschäft und die Prozesse der Bauerfeind AG?

Der Kunde hat sich in der Digitalisierung und dem Annehmen dieser Entwicklung deutlich schneller entwickelt als die meisten mittelständischen Unternehmen. Unsere Zielgruppe ist zunehmend nur noch im Internet unterwegs. Das gilt nicht nur für den klassischen E-Commerce, sondern mittlerweile auch für viele Fragen zur Gesundheit und der Behandlung von Krankheiten. In der Altersgruppe 60+ sind mittlerweile über 80 % nachhaltig online. Inzwischen gehen 50 % – 75 % der Menschen mit Beschwerden nicht mehr direkt zum Arzt. Sie konsultieren Webseiten, wie Netdoctors, Wikipedia oder zahlreiche Foren. Es ist für uns daher von entscheidender Bedeutung, auf welchen Behandlungspfad, welche Behandlungsmethode, welche Marke und welches Produkt der Patient gelenkt wird. Wenn diese Recherche für den Patienten ergibt, dass ein Produkt von Bauerfeind für seine Behandlung besonders geeignet ist, haben wir alles richtig gemacht.

Also entscheiden die Patienten die Therapie zunehmend selbst?

Das ist richtig, wobei diese Entwicklung den Ärzten nachvollziehbar nicht recht ist. In Deutschland prüft die Hälfte der Menschen, die zum Arzt gehen, ihre Diagnose nochmals im Internet. Im Ergebnis wird teilweise von der Empfehlung des Arztes abgerückt. In anderen Ländern, z.B. in den USA, geht aufgrund des für die Patienten teuren Gesundheitswesens nur ein Bruchteil von Patienten zum Arzt. Dort konsultiert ein deutlich höherer Prozentsatz das Web.

Was heißt das zukünftig für die Vertriebswege?

Bauerfeind vertreibt traditionell über Sanitätshäuser und über Apotheken. Wir beliefern aber auch Märkte, in denen das Gesundheitswesen anders strukturiert ist, wie beispielsweise in den USA. Dort verkaufen wir Produkte, die dafür geeignet sind, direkt an unsere Kunden.

So gibt es seit etwa 2 Jahren eine Linie für Sportler, die wir mit sehr gutem Erfolg im Online Shop direkt vertreiben. Den Onlineverkauf an Endkunden nutzen wir überwiegend außerhalb von Deutschland. Wir möchten keinen Konflikt mit Ärzten und Fachhandel. Bauerfeind schätzt und braucht diese Partner, um die zahlreichen, sehr individualisierten Produkte vertreiben zu können.

Bauerfeind muss demnach die Online-Präsenz und die Wahrnehmung in den sozialen Medien verstärken und eine parallele B2C und B2B Infrastruktur aufbauen?

Ja, so ist es. Man erwartet von uns eine ganz andere Transparenz, bspw. bei den Trackinginformationen.  Es geht um die Integration der Händler, Apotheken und Sanitätshäuser in unsere E-Commerce Plattform. Viele Sanitätshäuser sind eher handwerklich mittelständisch orientiert. Die Vermittlung von Wissen zur Unterstützung der Patienten bei der Behandlung ist für die Mitarbeiter dort ganz wesentlich. Diese Unterstützung leisten wir seit Jahren, mittlerweile auch digital durch Online-Trainings. Man muss sich vor Augen halten, dass es in einem Sanitätshaus Produkte mehrerer Hersteller gibt. Hier muss Bauerfeind positiv herausstechen. Auch der Bestellprozess muss bei uns am unkompliziertesten und zuverlässigsten sein. Unsere inländischen Bestellungen aus Sanitätshäusern erreichen bei uns einen Online-Anteil von 34 %.

Da muss ich nachfragen:  34 % bestellen online – heißt das im Umkehrschluss, 66 % bestellen traditionell per Fax?

Es ist ein Drittel, das online bestellt. Etwa 15 % nutzen das Fax, was am Schwierigsten abzuwickeln ist, weil es am meisten Nachfragen generiert. Ein anderer relevanter Teil bestellt per Telefon, wo zwar eine gute Betreuung und Interaktion stattfinden kann, was aber aufwändig ist. Ein weiteres Drittel bestellt über EDI-Sammelbestellungen und andere elektronische Kanäle. Das ist eine recht komplexe Materie und aktuell eine der größten Herausforderungen.

Ende des ersten Teils des Interviews. Im zweiten Teil erläutert Lorenz Müller die technischen Herausforderungen beim Aufbau einer Multi-Channel Plattform für Bauerfeind. Dieser erscheint in Kürze.

Fragen, Feedback und Kommentare zu diesem Beitrag senden Sie bitte an r.wirth@acent.de

Robby Wirth | 11.04.2018

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