IT-Offshoring
Sourcing

Serie: IT-Offshoring

Teil 1: Eine vielfach falsch eingeschätzte Servicelösung

Viele, die das Wort Offshoring hören, denken immer noch zuerst an die globalisierenden Heuschrecken, die die billigen Produktionsjobs nach Asien oder Südamerika verlagern, wo dann mit Kinderarbeit unter unwürdigen Produktionsbedingungen etwa die Billigtextilien für unsere Supermärkte erzeugt werden. So hat es auch sicher begonnen und es gibt dies auch heute noch, aber in der IT sieht dies doch ganz anders aus.

Wenn man in einem der vielen IT Zentren einen Campus eines größeren indischen IT Dienstleisters besucht, trifft man dort auf sehr gepflegte Anlagen mit vielfältigen Einkaufs-, Verpflegungs- und Erholungsmöglichkeiten mit hervorragend ausgebildeten IT Ingenieuren. Ja, es gibt dort Cubicles wie auch vielfach in den USA, aber eine hervorragende technische Infrastruktur. Und die Leute arbeiten dort durchaus nicht mehr an den alten Technologien, die in USA oder Europa keiner mehr warten will, wie das noch in der ersten Zeit war, als die indischen Firmen überall über die Y2K Thematik einen Fuß in die Tür bekamen.

Heute arbeitet man dort mit den modernsten Technologien und vor allem ermöglichen die neuen IT Technologien auch eine nahtlose länderübergreifende Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Indien. Während zunächst, etwa bei vielen Y2K Projekten oder der Übertragung der Anwendungswartung für Legacy-Anwendungen, der unschlagbare Preis der indischen Ressourcen der Haupttreiber für die Entscheidung „nach Indien zu gehen“ war, hat sich die Situation seit 2000 deutlich verändert.

Die technische und methodische Kompetenz ist mittlerweile sehr hoch. Es ist wahrscheinlicher, dass ein Student vom MIT oder Harvard sein Praktikum in Bangalore macht, als dass indische Studenten nach Palo Alto pilgern. In manchen Bereichen haben die großen indischen IT Unternehmen sicher schon führendes Know-How. Denn wenn man etwa ein Testzentrum anschaut, in dem 5-10.000 Mitarbeiter sich ausschließlich mit Testen beschäftigen, dann hat man einfach deutlich mehr Ressourcen, um sich mit der Entwicklung neuer Tools etwa für Test Case Abdeckung, Automatisierung etc. zu befassen. Dies gilt auch für Themen wie Software Engineering, Anwendungsmanagement oder Prozessoptimierung. Es ist also bald nicht mehr nur Preis, sondern auch Qualität ein wichtiger Grund nach Indien zu gehen.

Vor allem aber muss sich die deutsche IT Szene darauf vorbereiten, nach Indien gehen zu können, weil in Deutschland auf Sicht bei weitem nicht ausreichend IT Ressourcen auf den Markt kommen und die Nearshore Ressourcen etwa in Tschechien und Polen auch schon ausgeschöpft sind. Selbst wer vielleicht kurzfristig noch meint, seinen Bedarf in Deutschland decken zu können, sollte sich mit dem Thema beschäftigen, denn es braucht Zeit, die Fähigkeit zum Offshoring zu entwickeln. Die IT Organisationen stellen zwar ihren Kunden gerne Instrumente für die prozessorientierte, ortsübergreifende Zusammenarbeit zu Verfügung. Sie selbst sind auf die Anwendungen dieser Methoden aber oft noch gar nicht vorbereitet. Darüber mehr in Kürze im zweiten Blog-Beitrag „Arbeiten in verteilten Teams oder doch wieder im selben Raum kuscheln?“.

Fragen, Feedback und Kommentare zu diesem Beitrag senden Sie bitte an r.janssen@acent.de

Rainer Janßen | 18.04.2019

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